Kann das Social Media Profil die Persönlichkeit vorhersagen?

Die sozialen Medien sind allgegenwärtig – viele checken das Smartphone und ihre neuesten Likes direkt nach dem Aufstehen. Auf Social Media Plattformen präsentieren wir uns der Welt. Wir teilen den letzten Urlaub, unser Mittagessen oder eine Story von der letzten Party oft vollkommen unbedarft. Dabei werden auch viele persönliche Details aus unserem Leben und Daten preisgegeben, derer wir uns oft gar nicht bewusst sind.

Persönlichkeit navigiert uns durch den Alltag

Persönlichkeit zeigt sich als relevant invielen verschiedenen Lebensbereichen. So kann sie wesentlich die Qualität unserer sozialen Beziehungen beeinflussen.

Bei Einstellungsverfahren bieten Persönlichkeitstests eine hohe Vorhersagekraft für die Zufriedenheit und damit auch den Erfolg im Job. Sie können sogar kontraproduktives Verhalten dem Arbeitgeber gegenüber vorhersagen – und sind gerade deshalby aber auch wenig beliebt bei potentiellen Bewerbern und daher auch nur nach ausführlicher Aufklärung und ausdrücklicher Zustimmung möglich.

Aktuelle Forschung beschäftigt sich ebenfalls bereits damit, wie persönliche Informationen genutzt werden können um die User Experience zu verbessern. So fand man beispielsweise schon heraus, dass verschiedene Persönlichkeitstypen unterschiedliche Interfaces bevorzugen.

Big 5 zur Persönlichkeitsbestimmung

Um die Persönlichkeit eines Menschen zu bestimmen, sind allerdings langwierige Tests notwendig, die gut und gerne drei bis vier Stunden in Anspruch nehmen. Dabei muss der Teilnehmer viele Informationen preisgeben, die er vielleicht gar nicht unbedingt alle mit Anderen teilen möchte. Was aber, wenn die Bestimmung der Persönlichkeit viel einfacher möglich wäre?

Der Fragebogen zur Ermittlung der Big 5 (bspw. der NEO-PI-R) fragt nun mit jeweils mehreren Items die einzelnen Dimensionen ab. Dabei wird die Ausprägung jedes Faktors bestimmt. Man unterscheidet dabei zwischen niedrigen und hohen Ausprägungen.

1. Extraversion: Aktive Suche nach sozialen Kontakten und Geselligkeit, aber auch nach Aktivität und Aufregung.
2. Offenheit: das Bedürfnis Neues auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen
3. Verträglichkeit: Rücksichtnahme im Umgang mit Anderen
4. Gewissenhaftigkeit: Zuverlässigkeit, kontrolliertes, diszipliniertes Verhalten
5. Neurotizismus: Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen (im beruflichen Kontext wird meist der Gegenpol „emotionale Stabilität“ verwendet)

Die Big 5 bestehen aus fünf voneinander unabhängigen Faktoren, die sich im Laufe des Lebens nur sehr wenig bis gar nicht verändern.

Sehen wir uns beispielsweise den Faktor Extraversion an:

Die drei Punkte A, B, C stellen jeweils verschiedene Personen dar. Dabei sind grundsätzlich alle Ausprägungen auf der Skala möglich. Analog dazu kann man sich ein Thermometer vorstellen. Person A hätte eine niedrige Ausprägung des Faktors Extraversion, Person B eine mittlere und Person C eine starke.

Neuigkeiten aus der Wissenschaft

Zurück zur Persönlichkeitsbestimmung: Es ist nichts Neues, dass User auf ihren Social Media Seiten viele persönliche Informationen preisgeben. Damit scheinen diese doch die ideale Grundlage zu sein um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Das dachten sich auch Golbeck, Robles & Turner als sie 2011 für eine Studie einen Algorithmus programmierten, der alle Informationen sammelte, die für Facebook-Anwendungen einsehbar waren.

Neben einfachen demographischen Daten wie dem Namen, Geburtstag, Beziehungsstaus und dem Heimatort wurde beispielsweise auch erhoben, ob der User eine bestimmte Information preisgab oder wie viele Items in einzelnen Bereichen (z.B. wie viele Bildungsabschlüsse) gelistet wurden. Aber auch die Anzahl von Aktivitäten und Statusupdates wurden mit einbezogen.

Diese Informationen wurden kategorisiert und damit ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Um zu überprüfen, ob die vorhergesagte Persönlichkeit mit der tatsächlichen übereinstimmt, füllten die Probanden der Studie einen konventionellen Persönlichkeitsfragebogen aus und man verglich die beiden.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Persönlichkeit des Users durch den Algorithmus mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 90% vorhergesagt werden konnte.

Dabei gaben Menschen mit einem hohen Maß an Gewissenhaftigkeit weniger über ihre eigenen Gefühle preis und diskutierten mehr über andere Personen. Wohingegen Menschen mit einem hohen Maß an Verträglichkeit eher positive Dinge posteten. Wenig überraschend zeigte sich auch, dass extrovertierte Menschen eine größere Freundesliste aufwiesen und dabei besonders viele Freunde aus verschiedenen Gruppen haben.

Science meets Social Media

Mit diesen Erkenntnissen ergeben sich theoretisch zahlreiche neue Möglichkeiten für vielerlei Web-Anwendungen. So könnten dem User Freunde vorgeschlagen werden, die ein ähnliches Persönlichkeitsprofil aufweisen. Potentielle Paare könnten Matches in Kennenlern-Apps nicht nur auf Grund der Optik, sondern auch der Persönlichkeit finden.

Im Kontext des Online-Shoppings könnte die Präsentation von Werbung auf die Persönlichkeitseigenschaften abgestimmt werden. Man könnte dem Nutzer bevorzugt Bewertungen anzeigen, die von Personen geschrieben wurden, die ein ähnliches Persönlichkeitsprofil aufweisen um damit das Vertrauen und die empfundene Nützlichkeit der Bewertung zu erhöhen.

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