Emotionale Relevanz mit Bewusstsein schaffen

Was wäre eine Auseinandersetzung mit dem Thema Bewusstsein, wenn nicht Sigmund Freud zitiert würde: „Der Traum ist der königliche Weg zu unserer Seele“. Freud erforschte die Traumwelt der Menschen, um Zugang zum Unbewussten zu finden. In diesem scheinen wir hin- und hergerissen von Eindrücken und Verarbeitungsprozessen und werden nicht aktiv gesteuert. Es scheint, als hätten wir zeitweise die Kontrolle verloren. Wenn das Unbewusste mit Kontrollverlust in Verbindung steht, haben wir dann über bewusste Prozesse mehr Kontrolle? Und wie steht das Bewusstsein in Verbindung mit Vorgängen auf Webseiten? In diesem Artikel widmen wir uns folgenden Fragen:

Hinweis: Das Lesen dieses Artikels benötigt etwa 10 Minuten und erfordert etwas kognitiven Aufwand. Wenn Du es eilig hast und trotzdem die Key-Facts mitnehmen möchtest, dann schaue Dir folgende Kurzversion an:

Gib mir die kurze Fassung

1. Bewusstsein: Bewusstsein ist ein Geisteszustand, in dem man sich selbst und seine Umgebung wahrnimmt. Das Erleben von Gefühlen deutet auf einen bewussten Zustand hin. Es fühlt sich also irgendwie an. Bewusstsein kann in bestimmten Situationen unbewusst aktiviert werden. Es genügt ein markanter Reiz und wir werden uns bewusst. Emotionen entstehen.

 

2. Bilder, Emotionen, somatische Marker: Emotionen (Wut, Angst, Freude und Neid) sind Irritationen des neuronalen Systems aufgrund irgendeines Einflusses. Gefühle sind kognitive Wahrnehmungen, die aus der Irritation resultieren. Wir merken, dass sich etwas verändert hat (Bewusstsein, was sich irgendwie anfühlt). Emotionen wirken als somatische Marker, welche Bilder emotional einfärben. Je stärker die emotionale Einfärbung, desto relevanter das Bild. Dieses wird ins Langzeitgedächtnis übernommen und ggf. abgerufen = Ziel einer guten Nutzer-Website-Interkation.

 

3. Gedächtnis gleich Bewusstsein: Nein. Im Gedächtnis werden Informationen abgespeichert, die gelernt sind. Sie können, je nach emotionaler Einfärbung, ins Bewusstsein abgerufen werden. Das Bewusstsein ist ein Geisteszustand, in dem wir Emotionen spüren können.

 

4. Wahrnehmungsfehler dank Bewusstsein: Da das Bewusstsein evolutionär bedingt daraufhin ausgelegt ist, Reize schnell zu bewerten, führt dies unter Umständen zu Wahrnehmungsverzerrungen. Bestimmte emotional eingefärbte Bilder, die uns bewusst werden, überstrahlen beispielsweise alle anderen Eigenschaften einer Website (Halo-Effekt).

Was bedeutet Bewusstsein?

Bewusstsein erfahren wir auf zwei Arten: Auf der einen Seite nehmen wir die Umgebung über das Umgebungsbewusstsein wahr, auf der anderen Seite steht das Selbstbewusstsein. Bewusstsein ist also ein Geisteszustand, in dem man sich selbst und seine Umgebung wahrnimmt. Ein bewusster Geisteszustand verfügt immer über einen Inhalt (etwas wird wahrgenommen) und ist mit einem Gefühl verbunden.

Bewusstsein ist mit Sinneseindrücken verbunden – es fühlt sich irgendwie an. Erleben von Gefühlen bedeutet Bewusstsein.

Das Bewusstsein ist nicht immer gleich aktiv. Sitzen wir in einem Café, strömen unzählige sensorische Reize auf uns ein: Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee, das Licht der Lampen, vorbeifahrende Autos, bellende Hunde und Wortfetzen, die durch die Luft wabern. Erstaunlicherweise schalten wir diese irrelevanten Informationen weitestgehend aus. Und doch sind wir von der einen auf die andere Sekunde zu 100 Prozent aufmerksam: Ein einzelner Reiz hat es geschafft, unser Selbstbewusstsein zu aktivieren und Emotionen zu erzeugen. Doch dazu später mehr.

Das Bewusstsein wird also in bestimmten Situationen aktiviert. Es unterscheidet sich von einfacher Lebenssteuerung dadurch, dass es Folgen abwägen kann, in die Zukunft schaut oder lösungsorientiert handelt. Dies ist der Evolution geschuldet, denn die Aktivierung von Emotionen zog eine blitzschnelle Reaktion im Ernstfall nach sich. Wer überleben wollte, musste schnell verschiedenste Reize filtern und angemessen auf diese reagieren.

Sich selbst und seiner Umgebung bewusst zu sein bedeutete Überleben.

Wozu Bilder, Emotionen und somatische Marker?

Wie bereits erwähnt, steht das Bewusstsein mit Emotionen in Verbindung. Das Erleben eines Gefühls deutet darauf hin, dass ich mir selbst bewusst bin. In diesen beiden Sätzen wird deutlich, dass die Begriffe „Emotion“ und „Gefühl“ oftmals in ähnlichem Kontext verwendet werden. Doch laut des Damasio (1996) sind Emotionen wie beispielsweise Wut, Angst, Freude und Neid erst einmal nur Irritationen des neuronalen Systems aufgrund irgendeines Einflusses.

Diese Irritationen veranlassen uns zu einem (schnellen) Verhalten. Gefühle wiederum sind eben die kognitiven Wahrnehmungen, die aus dieser Irritation resultieren. Wir merken, dass sich etwas verändert hat. Hieraus wirkt Bewusstsein, was sich irgendwie anfühlt. Emotionen, welche auf Bewusstsein hindeuten, haben eine weitere, wichtige Aufgabe: Sie dienen als somatische Marker.

Emotionen sind ein Marker für Bewusstsein. Emotionen unterscheiden sich von Gefühlen und dienen als somatische Marker.

Unser Gehirn produziert im Laufe des Tages aus allen möglichen Einflüssen Bilder. Alle Objekte und Handlung, die im Gehirn verarbeitet werden, werden bildhaft ausgegeben. Vergleicht man das Gehirn mit einem Browser, kann nur eine begrenzte Anzahl an Tabs geöffnet werden, ohne dass dieser zu langsam wird. Ähnlich verhält es sich im Gehirn: Nur eine kleine Anzahl an Bildern wird klar wahrnehmbar dargestellt. Es sei denn, bestimmten Bildern wird eine höhere Relevanz als anderen zugewiesen. Dies geschieht aufgrund von Emotionen, die als sensorische Marker wirken und Bilder emotional einfärben, sodass sie für uns bedeutsamer werden als andere.

Ist Gedächtnis gleich Bewusstsein?

An dieser Stelle ist es sinnvoll, noch einmal auf das Thema „Gedächtnis“ einzugehen. Wie in dem Beitrag „Wir und unser Gedächtnis“ erklärt, werden nur bestimmte Informationen (Bilder) in unserem Langzeitspeicher abgelegt. Dies sind meist emotional eingefärbte Ereignisse, die bei Bedarf wieder abgerufen werden: Wir werden uns diesen Bildern wieder bewusst.

Bewusstsein wird mit dem Gedächtnis oder dem Erinnern assoziiert. Je stärker die emotionale Einfärbung, desto höher die Relevanz und der emotionale Wert des Bildes.

Ziel des Online-Marketings ist es, wahrgenommene Informationen mit für den Nutzer passender Emotion zu versehen. Diese sozusagen somatisch zu markieren, sodass sie Relevanz erhalten und in das Langzeitgedächtnis abgelegt werden. Somatische Marker entstehen laut Damasio aus bereits gemachten Erfahrungen, welche beispielsweise als positiv oder negativ markiert wurden. Ist ein somatischer Marker gesetzt, laufen auch Entscheidungsprozesse schneller ab, da bereits gemachte Erfahrungen ein Abwägen der Situation erleichtern. So wird deutlich, dass Nutzer einer Website ihre Erfahrungen (verarbeiteten Bilder) emotional einfärben und Dargebotenes „abstempeln“ (siehe auch: Halo-Effekt).

Also: Sensorischer Reiz » Informationen zu Bildern verarbeitet » Bilder mit Emotion versehen (somatischen Marker setzen) » Übergang der Bilder als Erfahrung ins Gedächtnis » Langzeitgedächtnis: Bilder mit starker emotionaler Einfärbung » Trigger: Bild wird abgerufen und bewusst erlebt » Gefühl entsteht » “Ich kaufe diese Schuhe“

Wahrnehmungsfehler dank Bewusstsein?

Bewusstsein, in welchem wir Emotion als Irritation unseres neuronalen Systems wahrnehmen, ist also ein wichtiger Bestandteil der Mensch-Website-Interaktion. Das Bewusstsein bildet somit die Grundlage verschiedenster psychologischer Heuristiken, wie beispielsweise der Affektheuristik, welche sich auf Gefühle stützt. Ein Wort oder ein Bild irritieren, ein Gefühl (eine Veränderung) wird bewusst wahrgenommen. Beispielsweise wird der Nutzen für etwas, was man mag, höher bewertet, als das Risiko. Wir fühlen uns wohl oder eben nicht und dies kann zu Urteils- und Entscheidungsfehlern führen. Auch statistische Prüfgrößen werden dabei systematisch über- oder unterschätzt.

Beispiel: Ein Versicherungsmakler möchte einen Kunden zum Abschluss einer Versicherung bewegen und stellt überzeugend dar, wie schwerwiegend der entstandene Schaden am Haus nach einer Naturkatastrophe ausfallen kann und was den Eigentümern dabei für Konsequenzen drohen. Der Kunde schließt schlussendlich die Versicherung ab, da die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse unberücksichtigt bleibt. Die Wahrscheinlichkeit einer Überschwemmung wird überschätzt und die katrastrophierende, emotionale Situationsbeschreibung des Versicherers trifft ins Schwarze.

Der Halo-Effekt ist ein weiteres Beispiel für diese Art der Wahrnehmungsverzerrung. Bestimmte, intensiv wahrgenommene Eigenschaften überstrahlen alle anderen positiv oder auch negativ. Diese Effekte lassen sich für eine sinnvolle und emotional ansprechende Kundenkommunikation einsetzten.

Ein weiterer spannender Aspekt des Bewusstseins ist übrigens, dass fehlende Informationen so ergänzt werden, dass es für uns einen Sinn ergibt (Completion). Erhält das Gehirn nicht ausreichend sensorische Reize, beginnt es, diese Lücken selbständig zu füllen und wir erkennen beispielsweise einen Mann im Mond. Hieraus entstehen zahlreiche weitere, interessante Wahrnehmungsverzerrungen, welchen wir jedoch einen eigenen Artikel spendieren möchten. In diesem Sinne: Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt aber nicht weiß (Dostojewski).

Literatur

  • Damasio, A. (2011). Selbst ist der Mensch: Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins. München: Siedler Verlag.
  • Damasio, A. (1996). The somatic marker hypothesis and the possible functions of the prefrontal cortex. Philosophical Transaction of the Royal Society B: Biological Science 351, 1413-20.
  • Swaab, D. (2011). Wir sind unser Gehirn: Wie wir denken, leiden und lieben. München: Droemer Verlag.

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