Teil 2: Mikroexpressionen – Perfekte Werbung durch Emotionsanalyse?

Gesichtsausdrücke sind das Medium um unseren Emotionen Ausdruck zu verleihen, Interaktionen mit anderen zu regulieren und die Botschaft, die wir dem Empfänger senden wollen, zu verstärken. Deshalb ist das Erforschen unserer Gesichtsausdrücke in verschiedenen Bereichen häufig von großem Interesse. Denn der tägliche Kontakt zwischen Menschen findet immer noch hauptsächlich face to face statt. Das Gesicht ist somit die Hauptreferenzquelle um die Emotionen des Gegenübers feststellen zu können. Doch wie funktioniert das, wenn wir unserem Interaktionspartner nicht direkt ins Gesicht schauen können?

Emotionen & Medien - geht das?

Emotionen, die durch Medienkonsum geweckt werden, unterscheiden sich gar nicht wesentlich von denen, die wir im Alltag empfinden. Während der emotional contagion (emotionale Ansteckung) fiebern wir sogar richtig mit dem Protagonisten mit und lassen uns von dessen Gefühlen anstecken. Wir brauchen uns nur an Harrys finalen Kampf gegen Lord Voldemord zu erinnern und das Herzklopfen, das wir im Kinosaal oder auf dem heimischen Sofa hatten ohne dass wir uns auch nur annähernd in Gefahr befunden hätten.

Man vermutet, dass sich auch so das automatisierte Lachen erklären lässt, das uns häufig als Reaktion auf ein lachendes Studiopublikum herausrutscht, obwohl der letzte Gag gar nicht so witzig war.

Warum kaufen wir, was wir kaufen?

Viele unserer Kaufentscheidungen basieren gar nicht auf rationalen Überlegungen, sondern auf unbewussten Emotionen. Die meisten Entscheidungen im Alltag werden automatisiert getroffen. Dadurch wird sichergestellt, dass unser Organismus mit der Vielfalt an Entscheidungsmöglichkeiten nicht überlastet ist. Oftmals geschieht das ganze sogar vollkommen unbewusst. So ist das auch – ob wir es wollen oder nicht – bei unseren Kaufentscheidungen.

Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Der Entscheidung, ob wir in der Mittagspause zu dem einen oder dem anderen Schokoriegel greifen, lassen wir nicht viel kognitiven Aufwand zukommen – dem Kauf des nächsten Autos hingegen schon. Hierbei geht es also in der Regel um die kleineren bis mittleren Kaufentscheidungen und nicht um größere Anschaffungen.

Emotionen sprechen Körpersprache

Reize von außen, wie beispielsweise Werbespots, können gleichzeitig unsere Physiologie verändern, wenn sie nur aufregend oder unterhaltsam genug sind. Psychische Aktivität kann neben beispielsweise dem Schwitzen oder dem Blutdruck auch unsere Mimik beeinflussen. Allerdings ist dies meist nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen.

Hier kommen wieder die Mikroexpressionen ins Spiel. Um diese zu ermitteln, werden im Gesicht einige kleine Elektroden angebracht, die elektrische Spannungsveränderungen der Gesichtsmuskulatur messen. So kann dann auch dieValenz der Emotion bestimmt werden – also ob es sich um eine positive oder negative Emotion handelt. Denn nur weil die Herzrate sich erhöht oder wir stärker Schwitzen heißt das nicht, dass wir positiv auf einen Werbespot reagieren. Im Idealfall werden immer mehrere Parameter erhoben um ein möglichst aussagekräftiges Gesamtkonzept zu schaffen. So werden Hinweise darauf geliefert, welche Elemente eines Werbeauftritts positive und welche negative Emotionen auslösen.

Immer mehr Studien geben Hinweise darauf, dass Konsumentscheidungen zum Großteil unbewusst getroffen werden (Wansink, 2004; Dijksterhuis and Smith, 2005; Köster, 2009). Wenn Konsumenten aber oft nicht genau wissen, warum sie eine Entscheidung treffen, wie sollen sie dann bei einer Befragung Auskunft darüber geben? Hinzu kommt, dass bei Befragungen häufig auch andere Effekte die Antwort beeinflussen können. Beispielsweise könnte ein Person glauben, dass eine bestimmte Antwort von ihr erwartet wird und deshalb den ursprünglichen Gedanken verschweigen. Auch hier werden die Mikroexpressionen wieder relevant. Denn diese sind der Theorie zufolge nicht bewusst beeinflussbar und können so die wahren Meinungen wiederspiegeln.

Außerdem messen sie die Reaktion direkt in den Moment in dem der Stimulus (also zum Beispiel die Werbeanzeige) auftritt und nicht verzögert durch eine Befragung hinterher. Poels und Dewitte (2006) konnten bereits herausfinden, dass durch diese Art der Emotionsmessung die Effekte von Werbung besser vorhergesagt werden konnten, als durch eine Befragung der Probanden. Im Marketing-Bereich steckt die Analyse von Gesichtsausdrücken (engl. facial expression analysis) allerdings noch in den Kinderschuhen. Dennoch wurden schon einige interessante Entdeckungen gemacht.

Emotionsanalyse bald auch in deinem Wohnzimmer?

Neu auf einer Streaming Plattform und keine Historie über die letzten gesuchteten Serien verfügbar? Kein Problem! Es gibt bereits einen Algorithmus, der Empfehlungen auf Grund des Gesichtsausdrucks des Rezipienten ausspielen kann. Diese neuartige Möglichkeit der Auswahl führt sogar zu mehr Zufriedenheit als durch das bisherige Rating einzelner Serien durch den neuen User oder durch bloßes Ausspielen der beliebtesten Serien (Choi et al., 2016).

Werbung, die glücklich macht!

Wie effektiv ein Werbespot oder eine Anzeige wirken hängt davon ab, als wie unterhaltsam und emotional sie empfunden werden. Wichtig ist aber auch, wie gut das Produkt im Kopf der Kunden haften bleibt. Eines der Probleme besteht hierbei darin, dass potentielle Kunden nicht bei den kurzen Werbeauftritten hängenbleiben, sondern beim Fernsehen weiter „zappen“ oder die Werbung im Internet überspringen.

Auch hier könnte eine Emotionsanalyse Abhilfe schaffen. Wenn Gesichtsausdrücke in Reaktion auf die Werbung positiv ausfielen, zeigte sich, dass die Werbung eher erinnert und das Zapping deutlich reduziert wurde. Mit dieser Technologie ließen sich in der Praxis effektive von weniger effektiven Werbespots unterscheiden und somit Werbebudget einsparen.

Gesicht zeigen bringt Verkaufsabschlüsse

Aber nicht nur der Gesichtsausdruck der potentiellen Käufer ist relevant. Durch das Vorhandensein eines freundlichen Gesichts konnten bei einer Testung signifikant mehr Buchungen auf einer Airbnb-Seite verzeichnet werden. War das Gesicht nicht vorhanden oder unfreundlich, halfen auch viele positive Bewertungen und ein niedriger Preis nicht (Fagerstrøm et al., 2017).

Auch wenn die Emotionsanalyse durch Mikroexpressionen ein noch wenig erforschtes Feld ist, bietet sie doch viele Möglichkeiten für das On- und Offline-Marketing. Wir dürfen sicherlich gespannt sein, welche Neuerungen uns in diesem Bereich in den nächsten Jahren erwarten.

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